Story:
Videos mit gewaltdarstellenden Inhalten in den sozialen Medien, Vandalismus an Schulen, Gewalt gegenüber Lehrkräften oder Eltern. Die Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen hat zugenommen, auch bei Minderjährigen. Zu dieser Bilanz kommt auch der Bericht der Kantonspolizei Bern. Um den Ursprung dieser Verrohung und mögliche Mittel dagegen zu diskutieren, lädt Moderator Markus von Känel Maya Weber Hadorn (Grossrätin SP BE), Janosch Weyermann (Stadtrat SVP Bern) und den Kommunikationsberater in die Bärner Rundi. Letzteren insbesondere auch darum, um einen Zusammenhang mit den sozialen Medien zu erörtern.
Einschätzung:
Das Thema ist natürlich äusserst vielschichtig und breit, so dass das Gespräch eine ganze Reihe von Themen berührt. Der Kommunikationsexperte äussert sich vor diesem Hintergrund zu einer ganzen Reihe von Aspekten:
- Bei Jugendlichen können gewaltdarstellende Inhalte in sozialen Medien verschiedene Auswirkungen haben (gesteigertes Aggressionspotenzial, Störung der Persönlichkeitsentwicklung, Traumatisierung, Verschiebung des Werte- und Normensystems, psychische Belastung, Depressionen, Gruppendruck).
- Zur Zunahme der Gewaltbereitschaft hat (neben der Pandemie) bestimmt auch das Durchdringen der Gesellschaft mit Smartphones beigetragen: Die Inhalte sind immer dabei, ebenso die Kamera zur Dokumentation, die Bereitschaft zum Teilen ist gestiegen.
- Die Gründe, gewaltdarstellende Inhalte zu verbreiten, sind vielfältig, sie reichen von Prestige («ich war dabei») bis hin zu Unterhaltung («Happy Slapping»).
- Um Gegensteuer zu geben, braucht es insbesondere ein bewusstes «medienerzieherisches Handeln aller Sozialisationsinstanzen». Dieses beginnt bei den Eltern; an ihnen liegt es, Jugendschutzprogramme aufzusetzen, den Medienkonsum ihrer Kinder zu begleiten, zu beobachten und Anzeichen ernst zu nehmen, die Grenzen des Anstandes in der Online-Kommunikation aufzuzeigen, altersgerecht über Gewalt und Krieg zu sprechen und schliesslich den bewussten Medienkonsum vorzuleben. Die Schule soll dann Medienkompetenz und kritisches Denken bezüglich Echtheit von Nachrichten vermitteln.
- Die Massenmedien haben bestimmt eine grosse Verantwortung bei der Publikation von gewaltdarstellenden Inhalten. Sie auszusparen, wäre nach der Meinung des Kommunikationsberaters allerdings bestimmt nicht der richtige Weg. Es gilt indessen zu bedenken, dass es neben dieser realen Gewalt weitere Formen von Gewalt gibt: witzige Gewalt (Tom & Jerry, Mutproben), extremistische Gewalt, gewalthaltige Games/Filme/Musiktexte/Pornografie, Snuff Videos und selbstgefährdende Gewalt (Ritzen).
- Gewalt ist urmenschlich und übt insbesondere auf Jugendliche eine grosse Faszination aus: Sie verfügen über ihre jugendliche und ungezügelte Neugier sowie mangelndes Wissen und Unbefangenheit, sind noch naiv und leicht beeinflussbar.
- Um gewalthaltigen Content in sozialen Medien zu reduzieren, sind insbesondere auch die Betreiber der Plattformen an die Kandarre zu nehmen. Der Wille dazu sinkt allerdings (insbesondere in den USA) einerseits, andererseits ist das Unterfangen auch anspruchsvoll: Die Beurteilung, was Hate Speech ist, ist schwierig, zudem ist die schiere Masse an Kommentaren kaum zu bewältigen. Kurz: Die Plattformen können nicht, selbst wenn sie wollten, aber sie wollen auch nicht.
- Die James-Studie 24 der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW zeigt allerdings ein etwas differenziertes Bild: «Die befragten Jugendlichen konsumieren selten brutale Medieninhalte. Die Mehrheit gibt sogar an, dies gar nicht zu tun.»
- Der Konsum von sozialen Medien kann zu Isolation führen: Exzessive Nutzung kann wegen permanenten Vergleichs mit unrealistischen und geschönten Darstellungen und oberflächlichem Vernetzen zu einem geschwächten Selbstwertgefühl und Einsamkeit führen. Wer passiv konsumiert und nur scrollt, fühlt sich einsam und hat weniger Zeit für reale soziale Kontakte.
Beitrag vom 3. Oktober 2025 auf TeleBärn